Musiknotenschrift

Aus Augenbit

Version vom 24. Januar 2024, 18:05 Uhr von LinusGutmann (Diskussion | Beiträge) (Die Seite wurde neu angelegt: „== Abstract == Im Musikunterricht der gymnasialen Oberstufe und den Abiturprüfungen wird eine Vielzahl von musikalischen Kompetenzen abgeprüft. Die Analyse v…“)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)

Abstract

Im Musikunterricht der gymnasialen Oberstufe und den Abiturprüfungen wird eine Vielzahl von musikalischen Kompetenzen abgeprüft. Die Analyse von musikalischen Strukturen, Gestaltungsmitteln und Gattungen wird im Musikunterricht der Regelschule anhand von Beispielen in Partituren deutlich gemacht. Wie können SchülerInnen mit Blindheit beim Lesen und Schreiben von Partituren teilhaben? Es gibt analoge Lösungen, die sich hauptsächlich mit auf Papier ausgedruckten Partituren in der Braille-Musiknotenschrift fokussieren. Außerdem gibt es digitale Lösungen, die die Partitur digital zugänglich machen. Die nachfolgenden Informationen sollen MusiklehrerInnen für SchülerInnen mit Blindheit und Sehbehinderung einen Überblick über das Thema Braille-Musiknotenschrift sowie analoge und digitale Lösungen für den Musikunterricht in der gymnasialen Oberstufe aufzeigen. Aktuell hat das Programm MuseScore 4.0 einige neue barrierefreie Funktionen vorgestellt.

1. Braille-Musiknotenschrift

1.1 Einführung

Die Braille-Musiknotenschrift ist ein Schriftsystem, welches Schwarzschriftnoten in Braille darstellt. Braille-Musiknotenschrift ist hierbei als Erweiterung der Brailleschrift anzusehen. Es werden genauso wie in der Brailleschrift Kombinationen aus 6 taktilen Punkten genutzt, jedoch nicht mit Buchstaben, sondern mit musikalischen Informationen verknüpft. Die Basis der Braille-Musiknotenschrift wurde von Louis Braille im frühen 19. Jahrhundert entwickelt.

Hier ein Beispiel mit einzelnen Tönen und jeweiliger Tonlänge:

Platzhalter BILD

Quelle: www.braille.ch/musik/tab01.html

Neben diesem Beispiel gibt es eine Vielzahl an Punktkombinationen und Regeln, sodass letztendlich alle Informationen aus einer Schwarzschriftnotation in Braille-Notenschrift dargestellt werden können.

Das Daisy-Consortium, eine internationale Organisation, die sich für digitale Barrierefreiheit einsetzt, möchte Braille-Notenschrift barrierefrei gestalten und die Nutzung fördern. Hierfür wurde eigenes Projekt entwickelt, das "Music Braille Project". Zentrale Entwicklungen und Arbeiten des Projekts werden auf folgender Internetseite gesammelt: https://daisy.org/activities/projects/music-braille/

Besonders an der Braille-Musiknotenschrift ist, dass jedes Land eine etwas spezifische Version der Braille-Musiknotenschrift nutzt. Diese Unterschiede werden Länderkodierungen genannt.

1.2 Lehrwerke der Braille-Musiknotenschrift

Es gibt folgende Lehrwerke der Braille-Musiknotenschrift.

  • Martin Huwyler: "Musik-Punkte": Dieses Buch dient zum theoretischen Lernen der Braille-Notenschrift. Jedes neue Zeichen wird zunächst allein und anschließend in Kombination mit anderen Zeichen intensiv geübt.
  • Martin Rembeck: "Punkt für Punkt - für Sehende und Blinde": Dieses Buch verknüpft das theoretische Lernen der Braille-Notenschrift mit dem Erlernen des Instruments Klavier.
  • Ein Lehrwerk von Ulrich Mayer-Uhma aus Marburg (dieses Werk ist an der Blista in Marburg vorhanden)
  • Ein Lehrwerk von Erich Schmid aus Wien.


Die Werke von Huwyler und Rembeck sind für SchülerInnen mit Blindheit geeignet.

1.3 Weitere Lehrwerke

Für Sehende gibt es folgende Übersichten der Braille-Notenschrift in englischer und deutscher Fassung:


Lernvideos zur Braille-Notenschrift wurden vom Team DaCapo des deutschen Zentrum für barrierefreies Lesen in Leipzig erstellt. Diese sind auf Nachfrage zu erhalten.

Weitere informative Videos in englischer Sprache sind folgende:

  • https://youtu.be/WhQgXNLPVLc?feature=shared
  • https://youtu.be/9zYMqsH5DzA?feature=shared

1.4 Vor- und Nachteile von Braille-Notenschrift

Im Fachdiskurs stellt sich immer wieder die Frage nach der Legitimation der Braille-Notenschrift.

Die Funktion von Noten ist es, musikalische Information so präzise wie möglich darzustellen um diese eigenständig rezipieren oder produzieren zu können. Dies gelingt der Braille-Notenschrift genauso wie der Schwarzschriftnotation. Für blinde Musiker ist es hilfreich Braille-Notenschrift zur Hand zu haben, da sie im Gegensatz zum Hören einen detaillierten Zugriff auf alle musikalischen Informationen haben. Blinde Musiker können einzelne Stimmen daher genauer nachvollziehen und die Musik detaillierter analysieren. Gerade bei komplexen Höreindrücken ist die Herleitung über das Gehör schwierig. Außerdem dient das vorherige Lesen von Braille-Musiknoten als Hilfestellung für das anschließende Musizieren.

Der maßgebliche Unterschied zwischen Braille-Notenschrift und der Schwarzschriftnotation ist die Art und Weise, wie der Zugang zu den musikalischen Informationen gewährt wird. Das System Braille-Notenschrift ist so aufgebaut, dass die Informationen in einer Reihe festgehalten werden, dafür benötigt es für jegliche musikalischen Zeichen (Taktangabe, Tonhöhe, Vorzeichen, ...), die in der Schwarzschrift meist übereinander stehen, Punktkombinationen, welche aneinandergereiht werden. Das System der Schwarzschriftnotation verlässt sich dahingegen auf visuelle Symbole. Blinden Menschen ist es beim Lesen der Braille-Notenschrift nicht möglich einen Gesamtüberblick über die Seite zu erhalten und im Anschluss gezielt nach einem Symbol zu suchen. Beim visuellen Lesen der Schwarzschriftnotation ist dies mit geübtem Auge und Vorwissen schnell möglich. Mit der Braille-Notenschrift kann nur sukzessiv Musikstück erfasst werden. Dieses sukzessive Vorgehen ist auch beim auditiven Hören eines Musikstückes vorzufinden, wobei das auditive Hören meist einen schnelleren Zugang gewährt, welcher allerdings musikalische Informationen weniger präzise darstellt. Beim Lesen von Braille-Notenschrift muss mehr Zeit eingeplant werden, als beim Lesen von Schwarzschriftnotation oder als das Hören der Musik. Weiterhin ist das parallele Abrufen von Informationen („vom Blatt spielen“) während dem Spielen mit der Braille-Notenschrift nicht möglich, d.h. blinde Musiker arbeiten in der Regel schrittweise (Noten lesen, Noten spielen, ...). Abgesehen von der Rezeption der Braille-Musiknotenschrift, ist es für blinde Musiker im produktiven Bereich möglich, eigene Kompositionen präzise mit musikalischen Informationen zu füllen.

Die Schwarzschriftnotation und die Braille-Musiknotenschrift stellen beide ein eigenes Schriftsystem dar. Blinde SchülerInnen lernen neue Punktkombinationen, sehende SchülerInnen lernen neue graphische Symbole. Diese Schriftsysteme haben eine Vielzahl von Möglichkeiten musikalische Informationen darzustellen, daher sind sie sehr komplex und müssen regelmäßig genutzt werden. Gerade bei speziellen Punktkombinationen oder Symbolen (z.B. Noten auf Hilfslinien) kommt man schnell aus der Übung.

Voraussetzung zum Erlernen der Braille-Notenschrift ist eine hohe Lesegeschwindigkeit und Orientierungsfähigkeit auf dem Papier. Dementsprechend sollte das Erlernen der Braille-Musiknotenschrift erst stattfinden, wenn die Vorläuferfertigkeiten und die Braille-Schrift im Allgemeinen sicher beherrscht werden. Sehende SchülerInnen können im Gegensatz dazu schon Notenschrift lernen, auch wenn sie noch keine Schwarzschriftbuchstaben erlernt haben.

2. Inklusiver Unterricht

2.1 Erfahrungen

Braille-Musiknoten auf Papier bringen im inklusiven Unterricht Barrieren mit sich, da diese viele reguläre Arbeitsweisen nicht unterstützen, dies sind z.B.:

  • schnelles Navigieren (gehe zu Note, Akkord, Seite, Liedtext)
  • Analyse von Zusammenhängen zwischen einzelnen Stimmen oder Akkorden (Wo siehst du noch das hohe C? Zeichne alle charakteristischen Quintsprüng aufwärts ein?)
  • schneller Wechsel zwischen Lesen und Schreiben


Notensatzprogramme und digitale Lösungen können in gewisser Hinsicht diese Barrieren abbauen. SchülerInnen mit Blindheit können diese mittels Shortcuts, Braillezeile und Sprachausgabe bedienen. Weiterhin können in einem barrierefreien Notensatzprogramm die Noten direkt angehört werden. Andererseits existiert ein zeitlicher Mehraufwand durch die unterschiedliche Arbeitsweise und das Erlernen des Notensatzprogrammes, den blinde SchülerInnen aufwenden müssen.

Wichtig ist hierbei, dass Lehrpersonen SchülerInnen mit Blindheit ausreichend Zeit geben, sich in das Notensatzprogramm einzuarbeiten. Auch im Schulalltag muss mit blinden SchülerInnen ein individueller Plan erstellt werden, wie sie Unterrichtsstunden vor- und nachbereiten. Lehrpersonen müssen ihren Unterricht eine gewisse Zeit im Voraus geplant haben und gleichzeitig abschätzen können, welche Notenbeispiele und Inhalte sie SchülerInnen mit Blindheit im Voraus zukommen lassen, damit sie sich schon in der Musik anhand von Taktzahlen oder markanten Punkten im Verlauf orientieren können. Diese Notenbeispiele und Inhalte müssen je nach Format angepasst werden. Hier kann eine Assistenzkraft unterstützen.

In der Unterrichtspraxis ist es wichtig, dass SchülerInnen mit Blindheit ausreichend Zeit bekommen, sich in einer Partitur orientieren zu können. Es ist möglich diesen Arbeitsprozess in die Vorbereitung zu verlagern, sodass blinde SchülerInnen die musikalischen Informationen schon vorab anschauen können.

2.2 Material

Im inklusiven Musikunterricht bietet es sich an, eine Notensammlung zu erstellen, bei welcher Plättchen mit Schwarzschrift und Braille-Notenschrift beschriftet werden.

Platzhalter BILD

Bildbeschreibung: Ein quadratischer, weißer Karton, der zwei Daumen groß ist. Einkerbung unten, um die richtige Leserichtung zu gewährleisten. Auf dem Karton ist jeweils ein Symbol der Schwarzschriftnoten gedruckt. Darüber wurde das Äquivalent in Braillenotenschrift auf Folie gedruckt und anschließend auf den Karton geklebt, sodass die Schwarzschriftsymbole weiterhin erkennbar sind.

Platzhalter BILD

Bildbeschreibung: Ein Sortimentskasten mit Spalten und Reihen. Die Spalten sind mit der Tonhöhe (c, d, e, ...) beschriftet. Die Spalte mit den Notenwerten (Ganze, Viertel, Achtel, …). In die einzelnen Zellen sind die Plättchen, bestehend aus Karton und Braille-Folie, einsortiert.

Quelle: https://www.augenbit.de/wiki/images/e/e8/Einsatz_von_Musiknoten_im_inklusiven_Unterricht.pdf Mit diesen Plättchen können einfache musikalische Themen dargestellt werden. Für komplexe Partituren eignet sich diese Methode nicht.

3. Braille-Bibliothek und Umsetzungsdienst

3.1 Übersicht

Im deutschen Zentrum für barrierefreies Lesen ist das Team DaCapo für Braille-Notenschrift zuständig und bietet folgender Services an:

  • Ausleihe aus einer Musik-Bibliothek mit mehr als 6.900 Werken in Braille-Notenschrift
  • Verkauf von gängigen Werken in Braille-Notenschrift
  • Umsetzung von Werken in Braille-Notenschrift.


Bei der Umsetzung von Schwarzschriftnotation in Braille-Notenschrift bietet DaCapo eine Schnellübertragung namens MakeBraille an. Neben MakeBraille wird auch eine ausführliche Form der Übertragung mit Lektorat angeboten. Weiterhin ist das Team DaCapo auch beratend tätig und kann bei allen Fragen rund um das Thema Braille-Notenschrift, die digitale und analoge Themen betreffen, angesprochen werden.

Im Anschluss sind einige Bibliotheken für Brailleschrift und Braille-Musiknoten weltweit aufgelistet:

Deutschland: https://www.dzblesen.de/ueber-uns/fachthemen-kooperationen-projekte/da-capo-noten-musik

USA: https://www.loc.gov/nls/services-and-resources/music-service-and-materials/

Schweiz: https://www.sbs.ch/buecher-medien/braillebuecher/

Vereinigtes Königreich: https://www.rnib.org.uk/living-with-sight-loss/education-and-learning/braille-tactile-codes/braille-music/

3.2 Schnellübertragung: MakeBraille

Zunächst benötigt man einen Zugang zum Portal MakeBraille. Diesen bekommt man, indem man das Team DaCapo kontaktiert. Anschließend kann man sich mit den Zugangsdaten hier anmelden: https://makebraille.dzblesen.de/MakeBraille

Innerhalb des Portals können .musicxml-Dateien oder .mxl-Dateien hochgeladen werden. Diese werden maschinell übertragen und in Braille-Notenschrift als .brl-Datei oder .txt-Datei per Mail innerhalb von wenigen Sekunden zurückgeschickt. Die Übertragung kann nach unterschiedlichen Kriterien konfiguriert werden: Länderkodierung und Layout, Ausgabeformat, Formen pro Zeile, Zeilen pro Seite, Duplexdruck, Komplexitätsgrad, Braille-Schriftsystem (8-Punkt, 6-Punkt, Kurzschrift, …), Einteilungen und Umbrüche, Zeichenanzeige, Zeichenerklärung und einige mehr. Eine genaue Beschreibung findet sich innerhalb des Portals, über das Hilfeportal und im direkten Kontakt mit dem Team DaCapo: https://dzblesen.uber.space/projects/hodder/wiki/Willkommen_zur_MakeBraille-Hilfe

4. Digitale Lösungen und Dateiformate